Sonntag, 3. Februar 2019

3. Frühaufsteher

War ich in der ersten Nacht noch wie tot in meine Matratze gesunken und innerhalb von Sekunden eingeschlafen, so wird dies in der zweiten Nacht deutlich schwieriger. Nachdem ich mit einigen meiner Mitbewohner noch in den Gassen Barracas etwas trinken war, kommen wir schon sehr spät am Abend wieder. Direkt neben unserem Hostel hat unvermittelt (an einem Donnerstag Abend) ein Club seine Pforten geöffnet und DJ MAGIC SANTIAGO beschallt sowohl Tanzfläche als auch unseren Schlafsaal mit lautem Techno. Auch wenn die Musik eigentlich ganz stabil ist und ich lauten Bass im Hintergrund von Festivals gewohnt bin, kriege ich in dieser Nacht fast kein Auge zu. Alle umstehenden Autos haben ihre Alarmanlage angeschaltet reagieren dazu noch äußerst sensibel auf den fickenden Bass. Alle zwei Minuten heult vor unserer Haustür eine Sirene laut auf und reißt die versammelte Mannschaft aus dem Schlaf. Da helfen auch Kopfhörer und Rachmaninows 2. Klavierkonzert in c-Moll wenig - gegen fünf Uhr morgens endet die Party und Magic Santiago kann seine Sachen wieder einpacken. 
Eben dasselbe beschließe ich auch für den übernächsten Tag. Lima ist groß, laut und schmutzig und nach meiner durchwachten Nacht liegt die Betonung dabei auf laut. Die Vorstellung, mich durch schwitzende Menschenmassen zu kämpfen um mir irgendwelche besonders wichtigen Sightseeing-Sachen anzuschauen, macht mich nicht sonderlich an und ich beschließe zu meiner ersten richtigen Station aufzubrechen. Hauptsache wieder Natur, weniger Menschen und ein wenig Ruhe. Auch wenn südamerikanische Metropolregionen ihren unvergleichlichen Flair haben so sind sie doch meistens ganz schön anstrengend - zumal ich selber aus einer Großstadt komme.
Vier Busstunden südlich von Peru gibt es eine große Sandwüste, die mir schon häufig empfohlen wurde. Außerdem war ich bis jetzt noch nie in einer Wüste. Es soll malerische Dünen geben, der Himmel strahlend blau und in ihrer Mitte liegt eine Oase, mit Palmen und einer Wasserquelle, die zum Verweilen und Ausruhen einlädt. Klingt doch eigentlich nach einem Paradies - wären da nicht nur die vielen vielen anderen Leute, die diese Idee ebenfalls hatten und zu tausenden in die wenigen Hotels und Hostels strömen, mit denen man die Oase zugebaut hat. Man hatte mich sogar noch gewarnt, dass Huacachina eine Touristenfalle ist, aber dass es so schlimm ist, wusste ich nicht. Nun sitze ich im billigsten Hostel des Ortes und kann zumindest von mir behaupten, eine echte local experience zu haben, sind um mich herum doch ausschließlich Peruaner, die ihren Familienurlaub hier verbringen. Gringos, mit denen ich ein paar mehr Worte wechseln kann als „Haben Sie noch ein freies Zimmer?“ oder „Wo ist hier der nächste Geldautomat“ sehe ich nur selten. Neben einigen Restaurants und Touristenbuden gibt es hier nicht viel, außer die unzähligen Moskitos, die bei Nacht in Scharen ausschwärmen in der Hoffnung, ein Loch in den Moskitonetzen zu finden. Auch wenn ich nach dem halben Jahr zu dritt unterwegs sein der Erfahrung halber unbedingt alleine reisen wollte, merke ich doch auch schon die Nachteile, die das dann mit sich bringt. Wenn man in einer Sackgasse feststeckt, dazu noch in einem Hostel, was zwar einen winzigen Pool hat, ich aber nicht weiß, ob er einfach nur sehr flach oder nur sehr schmutzig ist, ist man ganz alleine. Der Spaziergang durch die Wüste hilft gegen das kurz aufkommende Gefühl von Einsamkeit - auch wenn ich nicht lange brauchen um festzustellen, dass Wüsten jetzt nicht so mein Ding sind. Auch wenn ich es schon geahnt habe - es ist gut endgültig zu wissen, dass Wüsten größtenteils aus Sand bestehen. 
Als Attraktionen kann man hier mit einem lauten Geländejeep durch die Dünen gekarrt werden um anschließend mit einem Sandboard eigenmächtig wieder herunterfahren. Ich entscheide mich für einen schweißtreibenden Aufstieg mit anschließendem Panorama  Auch wenn es irgendwo einen gewissen Reiz hat: es ist so ziemlich das Gegenteil von unberührter Natur. Das Wasser der Lagune riecht ziemlich mies und selbst hier ist das Müllproblem nicht zu übersehen. Vor einiger Zeit muss das hier mal ein malerischer Ort gewesen sein, jetzt dient er vorwiegend als Hintergrund für südamerikanische Influencer und Hochzeiten (ich bin vermutlich auf mindestens drei Hochzeitsfotos irgendwo zu sehen). Ich empfehle den Abu-Dhabi Foto Filter. Der leichte Rot-Stich kommt bei dem Licht hier echt gut. 
Nach dem Aufstehen heute um sechs Uhr in der früh (die Kombination aus Jetleg, hoher Temperatur und lauter Salsa-Musik machen mich hier tatsächlich zum Frühaufsteher) erreicht mich allerdings eine schöne Nachricht: die SPD hat mich wegen Parteidoppelzugehörigkeit ausgeschlossen. Da ich mein Engagement bei diesem komischen Haufen ohnehin nicht mehr sonderlich ernst genommen hab, hatte ich die Mitgliederbetreuung kürzlich darüber informiert, dass ich nicht nur Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sondern auch der der sehr guten Partei „Die Partei“. Auch wenn deren Leitmotto zwar immer war, endlich Inhalte zu überwinden finden ich in inzwischen in ihren Programmpunkten die schlüssigsten Antworten für die Zukunft. Da ich bereits 2013 für die Groko-Abstimmung in die SPD eingetreten, zwei Jahre später aber wieder ausgetreten war, hatte ich nun das Gefühl, dass die Gegenseite mal dran war. Ich hatte meinen Rauswurf selbst provoziert und deine Partei war auf meine Finte hereingefallen. Das war aber ein kurzes #SPDerneuern.

Abschließend stelle ich fest: ich hatte unterschätzt, wie sehr ich mich doch an Land und Leute gewöhnen muss, auch wenn ich bereits viel Zeit in Perus (nahen) Nachbarländern verbracht habe. Das Alltagsleben funktioniert hier anders und alles, was in Deutschland durch Apps und strikte Regeln gemanagt wird läuft hier sehr viel freier von der Hand. Aber ich stehe ja auch immer noch am Anfang meiner Reise, ganze 7 1/2 Wochen liegen noch vor mir. Also durchatmen - und das allein sein genießen.

Editorischer Hinweis: Aufgrund des schlechten Internets habe ich mich entschlossen, dieses mal auf Bilder zu verzichten. Mein bereits erwähnter Instagram Account wird aber wärmstens empfohlen. 

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