Dienstag, 24. März 2015

30. Etappe - Salento

Ein klappriger Bus setzt uns im kleinen Salento ab. Das Wetter ist mittelmäßig, als wir uns in einen Jeep quetschen und uns zum Eco-Hostel "La Serrana" fahren lassen. Wieder sind wir in einer wunderschönen Naturoase ähnlich wie in St. Rosa gelandet, mit runden, hellgrünen Hügeln und vielen, vielen Kaffeeplantagen. Die fahrt ist sehr kurz und schon stehen wir vom Eingang eines großen, hübschen Grundstücks. Der Rezeptionist versteht, obwohl er gutes Englisch spricht, unsere Bitte nach einem Hängemattenplatz einfach nicht und ich lasse mich auf eine relativ langwierige Diskussion ein, warum ich lieber in einer Hängematte als im Zelt schlafe. Nach einer Weile willigt er, immer noch völlig verständnislos ein und Emilia und ich hängen unsere Hängematten unterm dem Vordach eines kleinen Gebäudes auf, während es sich Nikolaus im Zelt gemütlich macht. 
La Serrana
Auch wenn "La Serrana" stolz den Namen Öko-Hostel trägt, hat es damit nicht viel zu tun, besonders nicht nach unseren Erfahrungen in Amagá. Es gibt fließend warmes Wasser, das Licht kommt aus der normalen Leitung und wird in einigen Stellen des Hostels die ganze Nacht angelassen, wie Emilia und Ich in der Nacht bemerken, als ich mir mit dem Nachtportier ein Katz- und Mausspiel liefere, da ich konsequent das Licht unter dem Vordach ausmachen will und er es immer wieder stumm anschaltet. Auch gefällt uns das allgemeine Erscheinunsgbild nicht sonderlich, die Angestellten tragen alle Uniformen und die Atmosphäre erinnert einen eher an ein Hotel. Und wirklich günstig sind 15.000COP für eine Hängematte auch nicht. Beim Rumstöbern durch die kleine Stadt fragen wir bei allen anderen Hostels nach, ob sie uns günstig Hängemattenplätze anbieten und das Hostel "La Estrella Agua" kriegt schließlich den Zuschlag. Wir packen unsere Sachen im Öko-Hostel zusammen und machen, bevor wir wechseln, eine der berühmten Kaffee-Farm Touren. Eine knappe Stunde laufen wir durch die schönen Hügel, nicht ohne davor in zwei Deutsche hineinzurennen, mit denen wir endlich das berühmte "Techo" spielen, eine art kolumbianisches Kegeln. Aus einigen Metern Entfernung wirft man eine kleine, aber schwere Metallplatte in ein Lehmfeld, wo man vorher kleine Sprengstoffplättchen gelegt hat. Das Spiel ist relativ anstrengend und auch irgendwie hohl, zumal wir es nicht wirklich intensiv genug spielen, nicht die unterschiedlichen Punkte zählen, uns dafür aber umsomehr freuen, als eine der Metallplatten endlich sein Ziel erreicht und mit einem lauten, befriedigenden Knall explodiert. Nach einigen weiteren Fehlversuchen machen wir uns wieder auf, auch wenn das Spiel lustig ist, geht es doch tierisch auf die Armmuskulatur. Wir verabschieden uns von unseren beiden neuen besten Freundinnen und laufen weiter Richtung Kaffeefarm. 
Die Farm von Don Pedro ist vergleichsweise klein. Als wir ankommen, wartet eine junge Halb-Amerikaner-Halb Kolumbianerin auf uns, mit ihr ein älterer Herr aus England sowie zwei Norweger und ein Holländer. Die Halbkolumbianerin leitet die Tour, sie macht das ganze aber mehr als offensichtlich nichts zum ersten Mal und man hat leicht das Gefühl, dass ihr das ganze absolut zum Hals raushängt. 
Don Pedro bei der Ernte
Selbst wer sich nicht für Kaffee interessiert bzw. ihn nicht selber gerne trinkt, sollte bei sowas mal mitgemacht haben. Alleine schon die Kaffeebohne im unbehandelten, also sowohl ungerösteten als auch ungetrockneten Zustand zu sehen, ist beeindruckend, hat man da doch nur ein weißes, unförmiges Etwas in der Hand, was mit einer glibberigen, süßlich schmeckenden Schicht überzogen ist. Die Bohnen werden nach der Ernte (die zweimal im Jahr erfolgt) erstmal lange gewaschen, dann lange getrocknet und anschließend, je nach Geschmack, geröstet. Die Farm stellt komplett auf biologischer Basis her, nutzt eine Form der Mischwirtschaft, um den Kaffeepflanzen die besten Anbaumöglichkeiten zu geben. Z.b. darf die Kaffeepflanze weder direkt im Schatten noch direkt in der Sonne stehen, das überlebt sie beides nicht. Also werden ab und zu Mandarinenbäume gepflanzt, die ihr lebensnotwendigen Halbschatten spenden.
Außerdem pflanzen sie Bananen an, da diese in ihren Wurzeln enorm Wasser anziehen und somit den Boden bepflanzbarer machen. Auch die Robustheit der Kaffeepflanze beeindruckt uns, kann sie doch so ziemlich jede Witterung überstehen, auch Schädlingen geht sie geschickt aus dem Weg, in dem sie ohne zu Zögern ihr befallenes Blatt absterben und synchron dazu neue wachsen lässt. Natürlich genießen wir danach einen frisch gebrauten Kaffee und ich verliebe mich in einen kleinen Pitbull Welpen, was der Vater, der nebenan an einer offensichtlich notwendigen Eisenkette angeschlossen ist, gar nicht gutheißt. 
Das Estrella del Agua
Zurück im Serrana packen wir wieder unsere Sachen und ziehen weiter zum Estrella de agua, ein kleines, familiengeführtes Hostel mit viel Freifläche, wo wir unsere Hängematten unter einem Holzgerüst unterstellen können. Und obwohl wir immer noch ein paar Tage Zeit haben, stellen wir uns bereits innerlich auf den Abschied ein. Die meisten Städte der umliegenden Regionen lohnen wohl nicht sonderlich und still im Innern weiß jeder von uns, dass wir, bei unserer Trägheit, hier vermutlich die nächste Zeit komplett bleiben werden. Am elften März geht mein Flug von Pereira nach Bogotá, wo ich noch ein paar Tage verbringe, bis es weiter nach Berlin geht. 
Da ich gerne wieder couchsurfen will, suche ich mir für ab dem neunten März einen Couchsurfer in Pereira, auch wenn mir alle von der Stadt an sich abgeraten haben. Einer der Couchsurfer sagt in Sekundenschnelle zu und ich rechne mit zwei lustigen Tagen voller Studentenpartys und anderem. 
Und wir feiern ein lustiges Wiedersehen: an unserem zweiten Tag im Estrella Agua kommt Katja wieder und wir verbringen einen lustigen Freitagabend auf dem Rathausplatz, mit viel Live Musik, viel Alkohol und haufenweise lustigen Leuten. Das Erwachen am nächsten Morgen ist für mich in zweierlei Hinsicht grausam. 1. habe ich einen schlimmen Kater, zweitens finde ich mein Portmonnaie nicht mehr. Naiv und gutmütig habe ich das Ding am Abend zuvor seit langem wieder in der Gesäßtasche getragen, was ich mir in Kolumbien eigentlich längst abgewöhnt hatte. Den ganzen Morgen lang hetze ich durch die Gegend, frage die Mitarbeiter, ob sie ein Portmonnaie rumliegen gesehen haben, krame alle Taschen durch und stelle mich innerlich bereits darauf ein, dass es mir wohl geklaut worden ist. Ein halbes Jahr in den USA, Mexiko, Kuba und Kolumbien, ohne dass ich irgendwie beklaut worden wäre und nun jetzt, ein paar Tage vor der Rückkehr. Ich kriege einen kleinen Wutanfall und finde das verfluchte Ding schließlich unter meinem Schlafsack in der Hängematte, woraufhin ich anstandslos zu Boden gehe und dem Himmel danke. 
Salento hat als Stadt nicht viel zu bieten, es ist mehr das allgemein Stadtgefühl, dass einen hier länger bleiben lässt. Emilia knickt sich ziemlich unangenehm den Fuß um, weshalb große Wanderaktivitäten für uns erstmal ausfallen, Nikolaus und ich wollen trotzdem noch das Valle de Coco anschauen, ein großes Tal, wo die höchsten Palmen der Welt wachsen. Aber wir warten lange, können uns nicht aufraffen und am letztmöglichen Tag verpassen wir beide Shuttlebusse dahin und so verbringen wir viele, viele Tage in unserem schönen Hostel, haben Spaß mit den anderen Gästen und kochen uns leckeres Essen. Ich mache noch einen Ausflug nach Armenia zur Western Union Filiale, betrachte die potthässliche Stadt und versuche meinen Bordpass für den anstehenden Flug auszudrucken. VivaColombia, eine direkte Ryanair Tochter, bietet so billige Flüge an, dass ich nach einem halben Jahr Busfahren schwach geworden bin und den kurzen 50-minütigen Flug den 8 Stunden Busfahren vorziehe, zumal es gerade mal ein paar Euro mehr kostet. Beim Online Check In stelle ich aber fest, dass mein ursprünglich für den 11ten März gebuchtes Ticket für den 10. gebucht wurde. Eine ziemlich böse Mail an den Kundenservice wird mit einer lapidaren "Tut uns Leid, geht's nicht auch so?"-Antwort abgetan. Zum Glück habe ich schon ein paar Tage zuvor nachgeguckt, sonst hätte ich unter Umständen am Abend des 10. ein böses Erwachen gehabt. Um die Flut schlechter Nachrichten perfekt zu machen, sagt mir mein Couchsurfer spontan ab, da seine Schwester krank geworden ist. Ich bleibe also noch einen Tag länger und ich verabschiede mich innerlich bereits von Kolumbien, als Nikolaus, Emilia, Katja und Ich in eine wilde Partie "Arschloch" versinken und dazu das berühmte "Aguadiente" trinken, ein Anis-Schnaps, der ein bisschen aber nicht wirklich nach Ouzo schmeckt. 

Dann ist er da, der Tag der Abreise. Nikolaus will sich von Pereira aus in den Bus Richtung Venezuela setzen, Emilia fährt nach Medellin, von wo sie in ein paar Tagen weiter zu ihrer Mutter nach New York fliegt. Wir erreichen den Busbahnhof, trinken einen gemeinsamen letzten Kaffee zusammen und verabschieden uns voneinander. Nicht tränenreich, aber dennoch mit einem merkwürdigen flauen Gefühl im Magen. Fünf Monate mit den Beiden und nun soll alles vorbei sein? In Bogota bin ich glücklicherweise nicht auf Hostels angewiesen. Andrea, eine Kollegin von mir aus dem Musicology hat meine Anfrage, ob ich bei ihr wohnen kann, angenommen und ich freue mich schon auf ein paar lustige Tage in ihrer Studenten-WG.
Ein lokaler Bus zuckelt gemächlich Richtung Flughafen. Ich bin mal wieder nicht sonderlich gut vorbereitet, habe zwar alle Unterlagen dabei, aber bin mit etwas zuviel Gepäck angereist, als eigentlich erlaubt. Mein Handgepäck, mein Rucksack, der auch beim Check-In angegeben und schon bezahlt wurde, aber Nikolaus hat mich gebeten, die Gitarre mitzunehmen und wenn möglich, mit nach Deutschland zu begleiten. Da ich weiß, wie manche Airlines ticken (bspw. RyanAir) haben wir bereits abgemacht, dass falls die Gitarre wirklich nicht mitfliegen darf, ich sie halt im nächstgrößten Mülleimer entsorgen muss. Wäre schade drum, ist aber so. Nikolaus und Ich haben vor der Weiterreise noch unsere Rucksäcke getauscht, er hat jetzt meinen schicken, guten und ich seinen kleinen, blöden. Alles hat irgendwie reingepasst, das Zelt haben wir noch dilettantisch an den Rucksack angebunden. Und zur Not werde ich einen Trick anwenden, den uns unser Freund Chase aus Austin verraten hat. Er wollte auch einmal seine Gitarre mit ins Handgepäck nehmen die Dame am Schalter hatte Probleme damit. Er hat ihr daraufhin erzählt, dass er Gitarrist bei The Offspring sei und es für ihn sehr wichtig ist, seine Gitarre immer dabei zu haben. Die Dame war völlig hin und weg und hat sich noch schnell ein Autogramm geholt und alles war gut. Mit schwitzigen Händen näher ich mich dem Check-In Schalter am winzigen Flughafen Pereiras und hoffe auf das Beste.

Paul

Einfach das schönste Land der Welt




1 Kommentar:

  1. Hallo ihr drei Weltenbummler,
    nun geht für dich lieber Paul die Reise erstmal zu Ende.Ich möchte dir "Danke" sgen,für deine wunderbaren Reiseberichte,die so "bildhaft" waren.Bin gespannt ob Nikolaus die Zeit findet uns auch teilnehmen zu lassen an den Erfahrungen,Enttäuschungen und Begeisterungen.....Was habt ihr alles erlebt.Wie schön,dass du deine Geldbörse wiedergefunden hast.Danken und beten hilft......
    Eure Erfahrungen miteinander werden euch immer begleiten und in Berlin seht ihr euch wieder.... Eine beschützte Zeit weiterhin wünscht euch "Omi Gila"(Mama von Nikolaus Mama :Nicole....)

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