Dicke Katherale in Medellin |
Von A, dem Busterminal, nehmen wir die Metro nach B, unserem Hostel, nahe der Station "Estadio". Als wir, müde von der langen Busfahrt, ankommen, ist das Hostel leider schon ausgebucht und wir werden zu einem weiteren geführt, nur einen Block weiter. Ein älterer Costa Ricaner öffnet uns die Tür, wir schlafen zu einem für die Großstadt angemessenen Preis im Schlafsaal und sind dazu noch in einem ziemlich angenehmen Stadtteil. Medellin hat nicht sonderlich viele Sehenswürdigkeiten, die Stadt ist vorwiegend deshalb so beliebt, da sie über ein tolles Stadtleben verfügt. Wir fahren mit der Hochbahn ins Zentrum, natürlich nicht ohne davor die sagenhafte Seilbahn zu nehmen, die sich einmal über die gesamte Stadt spannt, tolle Aussicht bietet und dazu als ganz normale Fahrt zählt, man also nicht extra zahlt und gleich eine ganze Stadtrunfahrt geschenkt bekommt.
Zum Nachmittag fahren wir zurück Richtung Hostel. Der Besitzer, ein extrem freundlicher Mann, erzählt uns, dass Sonntag wieder ein Fußballspiel im Stadion stattfindet, wofür er uns Karten besorgen kann. 30.000, etwa 14€ würde der Spaß kosten und ist es uns auf jeden Fall Wert, da man in Südamerika eigentlich zwangsläufig im Stadion gewesen sein muss. Wir sagen ihm zu und bekommen drei Tickets ausgehändigt, Indepediente Medellin gegen Equidad de Bogota. Medellin selbst hat mit Athletico National einen weiteren Fußballclub, etwa das Bayern München Kolumbiens, der bei den Fans von Indepediente aber dementsprechend unbeliebt ist, zumal er in den 80ern durch Pablo Escobars Drogengelder enorm aufgebläht wurde und seitdem den schlechten Ruf nie ganz losgeworden ist. Uns wird geraten, nichts weißes oder grünes zu tragen, da dies nicht nur die Farben der Gegnermannschaft, sondern auch von Athletico Nacional sind und uns vorwiegend in Rot-Blau zu kleiden. Erst vor ein paar Tagen hatten wir uns in Cartagena einen der gefürchteten 5000-COP Shops vorgenommen, wo man alles für 5000COP kaufen kann und aus einer sehr komischen Laune heraus habe ich mir ein herrlich schlecht gefälschtes Bayern-München Trikot gekauft, um es in Berlin auf irgendeiner Bad-Taste Party zu tragen. Nun bekommt es jedoch einen ganz neuen Wert und ich bin froh, den richtigen Riecher gehabt zu haben.
Auf geht's Indepediente! |
Unser neuer bester Freund |
Der nächste Tag beginnt und nach einem leckeren Frühstück laufen wir allmählich Richtung Stadion, was wir in nur wenigen Gehminuten erreichen. Keiner von uns war bis jetzt live bei einem Fußballspiel dabei, die Vorfreude ist also groß. Mit einigen im voraus getrunkenen Bieren intus (im Stadion wird nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt) betreten wir das Stadion und, wie wir schon fast erwartet haben, dauert es auch nicht lange, bis uns ein junger Kolumbianer unter seine Fittiche nimmt und uns die wichtigsten Fakten über seine Mannschaft erzählt.
Das Spiel beginnt, die Ultras in der Nordkurve vollführen eine beeindruckende Choreographie und die Stimmung ist, trotz des nicht extrem unterhaltendem Spiels ausgelassen. In der 35. Minute erziehlt Indepediente das einzige Tor des Spiels, Equidad, das übrigens keinen einzigen Auswärtsfan mitgebracht hat, bleibt über 90. Minuten fast durchgehend harmlos. Das Spiel endet, wir machen noch ein paar alberne Selfies mit unserem neuen besten Freund und gehen nach Hause.
Nikolaus und Emilias Hängematten |
Nach einer knappen Stunde Busfahrt kommen wir in Amaga an, eine etwas groß geratenes Dorf in den Bergen. Die Straßen sind steil, das Wetter sehr wechselhaft und die Bewohner gucken uns immer ein paar Sekunden zu lang hinterher. Vom Dorfplatz nehmen wir einen Jeep zum Ecohostal Medellin. Wir kommen an einem großen, sehr hübsch geplanten Grundstück an, wo sich bereits eine Menge Leute befinden. Paola, die Besitzerin bietet uns freundlich an, unsere Hängematten an Plätzen unserer Wahl aufzuspannen, ich hänge mich zwischen zwei Bäume mit Blick auf einen großen Berg, werde diesen Platz aber spätestens ab dem zweiten Tag bereuen, als sich ein großer Wolkenbruch über dem Hostel ergießt.
Für 5.000COP gibt es jeden Abend Essen, was ein günstiges Angebot ist, günstiger würden wir vermutlich selber nicht einkaufen können. Beim gemeinsamen Abendbrot merken wir, dass das Hostel brechend voll ist und nach einigen Gesprächen merken wir auch, warum. Alle Anwesenden machen hier einen Sprachkurs, der mehrere Wochen dauert und für 350 Dollar bekommt man Spanisch-Unterricht, Essen, Unterkunft und muss dafür ein bis zwei Stunden am Tag Farm-Arbeit machen.
Die Idee der Permakultur wird hier sehr ernst genommen, für mein Empfinden fast ein bisschen zu ernst. Auf dem Grundstück sind sowohl jeglicher Alkohol als auch Rauchen strikt untersagt, Paola versucht, keinen Müll zu verursachen. Leere Plastikflaschen füllt sie mit Plastikmüll und benutzt die vollen und relativ schweren Flaschen zum Bauen von Fundamenten. Der Strom kommt von Solarzellen und einige Lebensmittel baut sie selber an. Die anderen Leute im Hostel sind aber wesentlich entspannter drauf und wir werden von der ersten Minute wie selbstverständlich in der Gruppe aufgenommen. Die meisten kommen aus den USA oder Kanada, dazu noch ein Österreicher und ein Deutscher, der sogar nur ein paar Straßen weiter wohnt als ich. Dieser hat gerade seine Pilotenausbildung bei der Lufthansa abgeschlossen, die ihm aber wider Erwarten keine Arbeitsstelle angeboten haben und er zurzeit nochmal was ganz anderes studiert. Aufgrund einer Vertragsklausel darf er sich auch bei keiner anderen Airline bewerben und muss nun warten, was auf ihn zukommt. Er erzählt von der knallharten Einsparpolitik, die die Lufthansa zurzeit führt und mein Glaube an eines der ältesten deutschen Unternehmen verpufft innerhalb weniger Sekunden.
Ich und meine Hängematte |
Soweit Paolas Onkel das Grundstück betritt, ist immer ruck zuck Stimmung in der Bude, er gräbt charmant auf die im vorigen Blog bereits erwähnte direkte Art jedes weibliche Wesen an, macht lustige Sprüche und schon sein Mischmasch aus Spanisch und schlechtem Englisch ist einfach lustig. Paola verlässt am Donnerstagabend das Hostel, um nach Medellin zu fahren, die Sprachkursteilnehmer haben bis Sonntag "sturmfrei" und es macht sich ein ziemlich witziges "Mama ist nicht mehr da" Gefühl breit. Schon bald werden die strikten Regeln beiseitegewischt und es sprießen die Bierflaschen auf dem ganzen Gelände wie Pilze aus dem Boden. Ein lustiger, verrückter Abend bahnt sich an. Beim gemeinsamen Abendessen hält einer der Anwesenden eine plötzliche Ansprache und sagt, dass er unglaublich enttäuscht von allen sei, Emilia fängt spontan an zu lachen, da sie das Gesagte für einen schlechten Scherz hält, verstummt dann aber peinlich berührt, da das Ganze offensichtlich todernst ist. Die Stimmung ist für ein paar Minuten ziemlich gedrückt und unangenehm, als ich später mit ein paar Leuten über die Ansage spreche, sagen mir viele, dass man ihn nicht zu ernst nehmen sollte, er ist schon seit mehreren Monaten auf der Farm und gewissermaßen Paolas Stellvertreter. Die Ansage war an sich ja nicht verkehrt, etwas verwundert bin ich aber doch, als der sogenannte Stellvertreter dem anschließenden Lagerfeuer konsequent fernbleibt und das ganze offensichtlich extrem schlimm findet.
Die wunderschöne Berglanschaft |
Für mich und Emilia wird die verbleibende Zeit allmählich knapp, in etwa drei Wochen fliege ich von Bogota zurück nach Deutschland, Emilia fliegt von Medellin in die Staaten und verbringt dort einen kleinen Urlaub mit ihrer Familie in New York, um danach noch nach Italien zu ihrer Familie zu fliegen. Für sie geht die Reise also noch etwas weiter, ich jedoch werde nach einem halben Jahr wieder in das normale Leben zurückkehren. Nikolaus wiederum leiht sich noch Geld von Verwandten, um noch einen Abstecher nach Venezuela zu machen.
Sowohl Geld als auch Zeit sind knapp, also planen wir die letzten Tage und Etappen genau durch. Wir entscheiden uns für Emilias Vorschlag, nach Manizales zu fahren, eine Studentenstadt, ein paar wenige Busstunden südlich von Medellin. Wir haben schon seit längerem Lust wieder zu couchsurfen, aber auch in Manizales sagen uns alle Leute ab, die wir angeschrieben haben. Zu dritt ist sowas natürlich wesentlich schwieriger.
Wir verabschieden uns von unseren neuen Freunden, fahren zurück nach Medellin und nehmen einen günstigen Bus nach Manizales.
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