Dienstag, 3. März 2015

24. Etappe - San Gil

Aussicht
Nach diesen drei schönen Wochen in Bogota, wo wir uns kaum von der Stelle gerührt haben, ist es ein komisches Gefühl, das Taxi zum Busbahnhof nicht für jemand anderen, sondern für uns selber zu rufen. Wir haben uns mit einer weiteren Deutschen zusammengeschlossen, Patricia, Mitte zwanzig und angehende Lehrerin. Das Taxi fährt gerade mit uns um die Ecke, als mir siedendheiß einfällt, dass unsere Pässe noch im Hostel sind. Unser Chef hatte sie bei Arbeitsbeginn im Safe als Pfand eingeschlossen. Leider ist es ihm schon häufig passiert, das sich Volunteers aus der Kasse bedient und dann nachts das Weite gesucht haben. Mit einem kleinen Umweg kommen wir an der Busstation an und fragen beim ersten Schalter  nach dem Preis für die Fahrt nach San Gil. Da wir so viele sind, werden uns statt den üblichen 50.000 Columbian Pesos (etwa 18€) 40.000 angeboten. Wir beratschlagen kurz und wollen uns noch an einem anderen Schalter umhören, als wir uns also zum Gehen wenden, bietet uns der Typ am Schalter automatisch 35.000 an, die wir dann lachend annehmen. Die Dame, die mit uns die Abrechnung macht, ist leider nicht die Hellste, sie kommt mir dem Geld rausgeben überhaupt nicht klar und verschludert dabei ganze 50.000 COP. Außerdem hat sie mit dem Lesen unserer Pässe auch Probleme, weshalb wir auf unserem Ticket alle den Namen BEUTSCH tragen (vierfach wiederholter Tippfehler von DEUTSCH).
Der Wohnzimmer-Bus
Während der Fahrt werden wir wieder mit kostenlosem Salsa aus den Lautsprechern verwöhnt und Patricia, die Spanisch studiert und annähernd perfekt spricht übersetzt uns einige der Texte. Fast immer geht es um schöne Frauen oder gescheiterte Lieben, allerdings sind die Offerten, die diesen Frauen gemacht werden, wesentlich ernster als in so manchem europäischem Lied. So singt der Sänger einmal davon, dass er "genug Geld verdient, um für uns beide zu sorgen", ein anderes Mal schwört er "bei seiner Mutter, die leider im Himmel unter den Engeln weilt" seiner Liebe zur Angebeteten. Die Fahrt geht aber schnell und zügig voran und nach 8 Stunden Bus kommen wir am Abend im Bergort San Gil an. Nikolaus hatte bei seiner Arbeit in Bogota mit einem Typen gequatscht, der uns dort ein wunderschönes Farm Hostel in den Bergen über der Stadt empfohlen hat. Die Bilder im Internet sind sehr vielversprechend und nach den drei Wochen Großstadt freuen wir uns darauf, wieder völlig in der Natur zu sein. Patricia fährt zu einem Hostel in der Stadt, während wir mit dem Taxi nach "La Pacha" fahren.
Schon auf der Visitenkarte wurde gewarnt, dass man lieber eine Taschenlampe dabei haben sollte, der direkte Weg von der Straße führt nochmal durch einen kleinen Trampelpfad durch Kuhweiden und für zehn Minuten stolpern wir ungeschickt über einen kleinen Feldweg und weichen mit meiner Taschenlampe bewaffnet den Kuhfladen aus. Der Besitzer des Hostels, ein junger Engländer, der hier mit seiner kolumbianischen Frau und zwei Kindern lebt, führt uns über das sehr große Gelände und zeigt uns die Stelle, wo wir unser Zelt aufstellen können. Campen oder einfach in der Hängematte
La Pacha
schlafen kann man hier schon für 10.000 COP, also etwa 3,50€. Das Hostel ist mehr oder weniger leer, ein Kanadier und seine britische Freundin zelten hier, ein Amerikaner hat seine Hängematte aufgespannt, sowie zwei freiwillige Mitarbeiter, ebenfalls Briten. Da der Besitzer in zwei Tagen in den Urlaub fährt (die Hochsaison ist inzwischen fast vorbei), werden seine beiden Volunteers das Geschäft für die Zeit leiten, wir können also auch gerne länger bleiben.
Nikolaus pennt diese Nacht zum ersten Mal in der Hängematte, während Emilia und ich uns das Zelt teilen. Da es in der Nacht aber so stark regnet, ziehen wir wenig später in den Wohnzimmerbus um, ein umgebautes Bus-Wrack, gemütlich mit mehreren Sofas, einem Fernsehr und vielen Büchern und Brettspielen ausgestattet.
Wir werden an diesem Ort insgesamt über zehn Tage bleiben und größtenteils gar nichts machen. Viele Tage verbringen wir lediglich mit faul in der Hängematte rumliegen, lesen, essen und konsequentem Nichtstun. Das Bergpanorama ist wunderschön, die Natur ist so ruhig. Am Abend gucken wir häufig Filme auf dem Fernseher, an die man eine Festplatte anschließen kann, wo haufenweise, teilweise brandneue Filme drauf sind.
Oder wir starten eine epische Kochaktion mit den anderen Gästen. Zack, einem Amerikaner aus Virgina und leidenschaftlicher Wanderer, Kenny und Eve, ein Kanadier mit seiner britischen Freundin, sowie natürlich die beiden Freiwilligen, Emma und Joe, aus einer kleinen Stadt südlich von London. Ansonsten sind noch zwei Ziegen, eine extrem bockige, die sich einem gerne mal in den Weg stellt und Ärger macht und der kleine verschmuste Hofhund da.
Aussicht vom Klo
Emma ist Köchin und so werden wir in der zeit zwei große Koch- und anschließende Fressorgien veranstalten. Sowieso haben wir mit all den Leuten sehr viel Spaß, besonders mit Zack verstehe ich mich prima.
In der zweiten Nacht schlafe ich schließlich auch in einer Hängematte und stelle zu meiner Überraschung am nächsten Morgen fest, dass ich tief und fest und ohne Rückenprobleme geschlafen habe. Die nächste Zeit werden wir alle nicht mehr viel in Betten, sondern ausschließlich in Hängematten schlafen. Das Schönste ist vor allem, direkt in der Natur aufzuwachen oder sich am Abend in den Schlaf zu schaukeln und dem Geheule der Hunde unten im Tal zuzuhören.

Barichara
Obwohl die Gegend ein absolutes Überangebot von Wanderwegen und allen möglichen Extremsportarten anbietet, unternehmen wir in den fast zwei Wochen nur zwei wirkliche Ausflüge. Einmal wandern wir zu einem nicht sehr beeindruckendem Wasserfall, das andere Mal fahren wir mit dem Bus in die sehr kleine Bergstadt Barichara, wo wir knappe drei Stunden lang in eine weitere, noch kleinere Stadt wandern. Selten habe ich so schöne Berglandschaften gesehen.
Die erste Woche geht enorm schnell rum und wir überlegen schon, wo wir als nächstes hingehen, bis uns auffällt, dass unsere Kreditkarten alle schon wieder ihr Monatslimit überschritten haben und wir beinahe kein Bargeld mehr haben. In letzter Not schickt uns Emilias Mutter Geld über Western Union und wir merken zum ersten Mal, wie extrem der Euro gesunken ist. In Deutschland mag man das nicht sonderlich mitkriegen, aber für uns ist das eher negativ, weil wir deutlich weniger Pesos aus dem Automaten ziehen können. Da das Geld nicht reicht, um für uns alle Bustickets und eine Unterkunft im nächsten Ort zu bezahlen, warten wir noch ein paar Tage bis zum Monatsanfang, haben also noch mehr Zeit zum Lesen, in der Hängematte liegen und einfach nichts tun.
Schließlich ist der 1. Feburar erreicht und wir packen unser Zeug zusammen. Die einzigen, die noch da sind, sind Emma und Joe, sie werden vermutlich die nächsten Wochen, bis der Besitzer aus dem Urlaub zurück ist, alleine sein, freuen sich aber auch ein bisschen darauf. Wir fahren mit dem viertelstündlich kommenden Bus vom Hostel zurück in die nicht sonderlich erwähnenswerte Stadt San Gil und nehmen einen Nachtbus nach St. Marta an der Küste. Karibik, wir kommen. Schon wieder.

Paul



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