Samstag, 21. Februar 2015

22. Etappe - Playa Jibacoa

Schöner Strand
Es ist heiß, als wir in Varradero das Taxi besteigen und immer noch heiß, als wir schließlich in Jibacoa ankommen. Wir haben mal wieder überhaupt keine Ahnung, was wir hier genau machen wollen bzw. wie wir hier eine Casa finden, aber bis jetzt sind wir immer noch halbwegs gut damit durchgekommen. Als wir den Ort schließlich erreichen, bemerken wir, dass es gar keinen wirklichen Ort gibt. Der Playa Jibacoa ist, wie der Name ja sagt, tatsächlich nur einfach ein hübscher Strand, dafür allerdings ein sehr hübscher. Unweit finden wir einen kleinen Laden mit Knabbereien und Getränken sowie ein paar Touristen-Dörfer, die aber alle komplett verlassen und offensichtlich auf sich allein gestellt sind. Wir fragen bei der Tienda nach und eine etwas ältere Frau mischt sich in die Konversation ein. Nach ein paar gewechselten Sätzen outet sie sich als Italienerin und Emilia übernimmt wie schon in Cienfuegos das Geschäft. Sie habe eine kleine Casa etwas weiter entfernt, die würde sie uns gerne vermieten, sie erwarte auch in nächster Zeit keine Gäste, sie würde uns also einen guten Preis machen. Ihr Italienisch klingt, selbst für meine Ohren sehr merkwürdig und Emilia hat gute Mühe, sie zu verstehen. Da die Dame nur 15 CUC für zwei große Schlafzimmer mit Wohnzimmer und eigener Küche haben will, sagen wir schnell zu. Wir wissen nur leider nicht, wie wir dahin kommen, sie winkt gnädig ab. Ihre Verwandten kommen sie ohnehin in 1 1/2 Stunden abholen, da ist genug Platz für uns alle im Auto. Wir freuen uns natürlich, aber ein leichter Nachgeschmack bleibt, schließlich wissen wir inzwischen, dass man immer vorsichtig sein sollte, wenn einem in diesem Land großzügig irgendwelche Dienstleistungen angeboten werden. Uns ist das aber nach ein paar weiteren gewechselten Worten mit der Dame relativ egal und wir rennen Richtung Wasser, nach fast drei Tagen ohne Dusche mit dem ganzen Stress in "Blöder Scheißort" und der schwitzigen Stunden in Varradero fühlt es sich unbeschreiblich schön am, sich einfach nur in die warme Karibik fallen zu lassen. Wir alle haben kleine roten Punkte am Körper, offenkundig Flohbisse und wir vermuten, die gestrige Nacht im Flohgebiet verbracht zu haben.
Nach einer Weile fahren zwei große, smaragdgrüne Cadillacs aus alten Zeiten vor, irgendwelche Cousins und sonstige Verwandte helfen der Dame mit ihren kleinen Kindern ins Auto und bieten uns die übrigen Plätze an. Wir fragen höflich, ob sie dafür etwas haben wollen, was sie mit einer leicht beleidigten Handbewegung abtun. Auf dem Weg durch die schöne Landschaft erklärt uns die Dame noch, dass sie zwar selbst Kubanerin ist, was also auch ihr merkwürdiges Italienisch erklärt, aber lange in Mailand gelebt und für die EU gearbeitet hat (Emilia als Halb-Neapolitanerin verkniff sich nur mit Mühe einen spöttischen Kommentar über Nord-Italien). Außerdem ist ihr Mann Italiener, der allerdings gerade selbst in Mailand ist und dort Fiats verkauft. Auch löst sie endlich das Rätsel, warum in Kuba offenkundig keinerlei Vorbereitungen für Weihnachten getroffen werden. Das Fest war bis weit in die 90er hinein verboten und ist dementsprechend mehr oder weniger tot. Das erklärt die merkwürdigen Blicke, wenn ich Kubanern zum Abschied "Feliz Navidad" gewünscht hab.

Die Casa liegt in einem winzigen Dorf mit drei Häusern etwa zwanzig Autominuten vom Strand entfernt. Das mit dem Fiats Verkaufen leuchtet uns spätestens ein, als wir unser Apartment besichtigen, denn dieses ist wirklich luxuriös eingerichtet. Klimaanlagen, großer Flatscreen, eine Playstation 3 mit einigen Spielen (alles vermutlich aus Italien ins Land gebracht) und sogar eine komplett eingerichtete Küche. Hier lässt es sich leben, denken wir uns und schon sind Nikolaus und ich mitten in einem wilden Feuergefecht im kolossal eintönigen Shooter "Army of two" versunken.
Zum Abend werden wir von der Großmutter bekocht, die sich offensichtlich aus Liebe zum Schwiegersohn ein paar italienische Rezepte angeeignet hat. Es gibt Lasagne, wenn auch keine extrem gute, aber es ist eine Wohltat, nach über zwei Wochen wieder essbaren Käse zu essen. Am Abend schauen wir noch einen Film auf dem großen Fernseher, bevor wir alle müde ins Bett fallen.
Nach einem leckeren Frühstück am nächsten Morgen (inklusive) holt uns der Sohn der Dame ab. Dieser ist in Mailand aufgewachsen und erst seit einer Weile in Kuba. Er ist Automechaniker und will später Taxifahrer werden, auf jeden Fall in Kuba bleiben, da es hier seiner Aussage nach viel entspannter zugeht als in Italien. Am Beeindruckensten ist aber seit Auto, ein alter Peugeot, wo alles, aber auch wirklich alles innerhalb der Karosserie fährt. Der Fahrer sitzt nur auf einem Ersatzreifen, wir hocken uns irgendwie auf den blanken Metallboden und der selbst aus allen möglichen Ersatzteilen zusammengebastelte Motor heult bedrohlich auf. Der Italiener erklärt uns, dass man für so ein Auto in Kuba locker 25.000 CUC bezahlen müsste, da Autos hier so selten sind. Eine anständiger Oldtimer, so wie wir ihn gestern gefahren haben, würde gut und gerne 40-50.000 kosten.
Erneut verbringen wir einen schönen Tag am Strand, tauchen, kraulen, lassen uns von der Sonne braten und werden später am Nachmittag erneut von der Verwandschaft abgeholt. Wir fragen auf dem Rückweg die Dame, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, morgen im Laufe des Nachmittags einen Bus nach Havana zu nehmen, der aber nicht existiert. Sie bietet uns aber ihren Cousin an, der uns für 30 CUC die 150 Kilometer fahren würde. Das klingt nach einem fairen Angebot und wir sagen zu.
Zurück in der Casa gibt es erneut leckeres Essen und netterweise hat man uns noch umsonst unsere Wäsche gewaschen. Wir hatten davor noch extra mal gefragt und der Dame von unseren Erfahrungen erzählt, die sie sehr gut nachvollziehen kann. Die Familie ist offensichtlich sehr wohlhabend und braucht dementsprechend das Geld nicht so dringend wie andere.
Wir vertrödeln den Rest des nächsten Vormittages mit Lesen, ein paar Verwandten-Emails zu Weihnachten schreiben und über Kuba nachdenken. Die Resumés sind etwas unterschiedlich. Emilia und Ich haben uns in diesen fast drei Wochen nur sehr selten wirklich wohl gefühlt, was sehr schade ist, hatten wir uns doch so auf das Land gefreut. Ich finde es toll, noch einmal  in diesem Land gewesen zu sein und dann auch noch gerade zu der Zeit, als Obama sich offensichtlich zu einer Lockerung des Handelsembargos bereiterklärt. Vieles wird sich in Kuba ändern, insbesondere der Tourismus wird knallhart zunehmen und dabei sicherlich auch seine hässliche Fratze zeigen. Das wünsch ich dem Land wirklich nicht. Und so angenehm es auch war, drei Wochen weder Werbung noch irgendeine amerikanische Fast-Food Kette zu sehen: man wird pausenlos verarscht und angebettelt und das nervt enorm. Man traut den Leuten nicht mehr und läuft mit Scheuklappen durch das eigentlich so wunderschöne Land. Und auch die Landschaft: die Industrie nimmt keine große Rücksicht auf die Umwelt, es gibt viel Müll, der irgendwo verbrannt wird, die Schwerindustrie versucht ganze Gebiete und auch die Gesellschaft ist war Umweltbewusstsein angeht um einiges hinterher. Nikolaus konnte sich mit den Gegebenheiten besser arrangieren als wir, mir und Emilia hat aber insbesondere das Essen gefehlt. Auch wenn ich mich persönlich als Sozialist bezeichnen würde, hat Kuba mich in der Hinsicht extrem enttäuscht. Die wirtschaftliche Lage ist zwar noch einigermaßen in Ordnung, aber auch nur durch den Tourismus, der wiederrum ein völlig indiskutabel ungerechtes Zwei-Klassen System eingeführt hat. Insgesamt kann man sagen, dass Kuba eine Reise wert ist, wenn man weiß, dass es nicht billig wird und nicht den klassischen Backpacker-Tourismus erwartet. Dennoch: ein zweites Mal würde ich nicht unbedingt hin.

Unser Flug geht erst um sechs um Morgen des nächsten Tages, da wir vermutlich nicht mitten in der Nacht einen Bus kriegen werden und auch nicht so gerne eine erneute teure Nacht in Havana verbringen wollen, werden wir wohl am Flughafen übernachten müssen. Der Cousin fährt uns schweigend mit seinem grünen Cadillac Richtung Havana. Die Sonne geht gerade unter, als er uns in der Innenstadt, in der Nähe eines Telepuntos wieder rauslässt. Es hat gerade frisch geregnet und ist dementsprechend stickig und schwül. Wir drucken im Internetcafe unsere Tickets aus und machen uns auf die Suche nach einem günstigen Restaurant. Es ist Heiligabend, man spürt davon auf der Straße aber nichts, lediglich ein paar Touri-Lokale und Restaurants haben sich hässlich in Schale geworfen. Unserer Erfahrung nach sind Pommes eines der Dinge, mit denen man sich am wenigsten den Magen verderben kann und auch nicht so schlecht schmecken. Aber keines der Restaurants hat Kartoffeln zur Hand, es gibt hier eben manchmal nicht alles. Nach langem Suchen in strömenden Regen setzen wir uns in ein extrem herausgeputztes Restaurant und bestellen bei der Bedienung mit alberner Weihnachtsmütze unseren innig geliebten Reis mit Bohnen. Der Kellner versteht nicht richtig und weißt uns nochmal freundlich auf die teuren anderen Gerichte hin, erst nach langer intensiver Erklärung, dass wir wirklich nicht viel Geld haben und 8 CUC für uns eine Menge Geld sind, versteht er langsam und geht mit sehr nachdenklichen und betroffenem Gesichtsausdruck in die Küche. Was uns der Kanadier gesagt habt, stimmt offensichtlich. Die Leute kennen es wirklich nicht, dass Touristen wenig Geld haben. Der Kellner bringt uns dafür netterweise eine Riesenportion und wir ignorieren erneut den knirschenden Sand zwischen den Zähnen.
Nach einigem Verhandeln mit mehreren Taxifahrern handel wir einen extrem günstigen Preis zum Flughafen raus. Es ist inzwischen gerade mal zwölf Uhr, der erste Weihnachtstag beginnt, ohne das wir davon Notiz nehmen. Weihnachten sind dieses Jahr eben nur vorbeiziehende Tage im Kalender und nichts anderes. Wir stellen uns auf einige Stunden Wartezeit ein, ich packe meinen Schlafsack aus und lege mich auf eine der Bänke. Nach einigen Stunden wache ich auf und sehe eine große Schlange zum Check-In. Wir raffen uns auf und stellen uns ebenfalls an.
Nach der Gepäckaufgabe hat die Dame am Check-In aber offensichtlich ein Problem mit unseren Pässen, da wir kein weiterführendes Ticket aus Kolumbien hinaus haben. Sie meint, so kann sie uns leider nicht einreisen lassen. Ich verstehe die Welt nicht mehr, schließlich sind wir bereits in die USA und nach Kuba eingereist ohne Rückflugticket, zwei Länder
Schönster Flughafen der Welt
, die bekannt dafür sind, relativ strenge Einreisebestimmungen zu haben. Und nun brauchen wir für Kolumbien ein weiterführendes Ticket? Wir werden zum Flughafenbüro von CopaAirline, mit denen wir fliegen, geschickt. Die englisch sprechende Dame stellt uns ohne groß zu überlegen eine kostenlose Reservierung für einen Rückflug nach Havana aus und das Problem ist beseitigt. Wir müssen weder etwas zahlen noch den Rückflug irgendwie wahrnehmen. Deutscher Pass halt.
Wir erreichen unser Gate, Nikolaus und ich wollen aber noch davor im Duty-Free Shop eine Flasche Wasser kaufen und stellen uns an die Schlange vor der Kasse. Die meisten nutzen hier noch die letzte Gelegenheit, Zigarren und Rum einzusacken. Obwohl nur 8 Leute vor uns in der Schlange stehen dauert das Prozedere ewig, wir kennen die ineffiziente und extrem langsame Arbeitsweise schon aus anderen Situationen, aber auch hier am Flughafen? Einer der Kunden will mit Kreditkarte zahlen, der Kassierer ist erstmal für zehn Minuten weg, um das Gerät zu suchen. Emilia kommt nach einer halben Stunde besorgt an und sagt, dass gerade zum letzten Boarding aufgerufen wurde uns wir uns echt beeilen müssen, sonst kommen wir nicht mehr aufs Flugzeug.
Wir hechten mit unseren hart erkämpften Wasserflaschen zum Gate und werden in letzter Minute noch reingelassen. Da wir beim Start in ein Gewitter reinfliegen wird der Start etwas wackelig, aber wir sind zum Glück nicht der eine Flug der einmal pro Jahr abstürzt und so segeln wir voller Vorfreude Richtung Bogota, Kolumbien.

Paul

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