Donnerstag, 19. Februar 2015

21. Etappe - Blöder Scheißort

Schon bei der Überschrift müsste schon der aufmerksame Leser etwas erstaunt sein, so einen Kraftausdruck in einer Überschrift zu finden, haben diese sich doch bis jetzt ziemlich in Grenzen gehalten. Bei der nun folgenden Geschichte kann sich aber keiner mehr von uns an den Namen der Stadt erinnern, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, den Ort einfach mit einem neuen Namen zu taufen, den er unser Erfahrung nach auch verdient hätte. Da ich ohne Namen nicht weiß, was ich googeln soll (und die Suchergebnisse zu "Blöder Scheißort" in diesem Blog wirklich nichts zu suchen hätten) wird dieser Eintrag leider komplett bilderlos. Wir werden in diesen 1 1/2 Tagen Aufenthalt nicht nur selber das Gesetz brechen sondern auch Opfer einer Straftat werden. Man darf gespannt sein.
Am späten Nachmittag erreichen wir also den Ort, im Taxi, eingeklemmt zwischen unseren Taschen und verschiedenen Körperteilen, da diese alten Autos über nicht ausreichend große Kofferräume verfügen. Umso mehr loben wir uns die riesige Rückbank.
Erneut geht es mit einer Pferdekutsche weiter, wir bitten den Fahrer uns eine Casa am Strand zu zeigen, falls es denn eine gibt. Er bejaht und gibt seinem Pferd einen freundschaftlichen Klaps auf den Hintern. Während wir so durch die Stadt getrabt werden, schwant uns Übles. Der Ort sieht wirklich schlimm aus. Wir sind es nach zwei Wochen Kuba absolut gewohnt, dass die Straßen voller Müll und Abwasser sind, die Fassaden bröckeln und es riecht. Der Ort sieht allerdings wirklich übel aus, der Müll türmt sich an einigen Stellen und das Abwasser der gebrochenen Leitungen sammelt sich an den Straßenseiten, wo sich kleine Pilz- und Algenkulturen gebildet haben und sogar ein paar kleine Fische hin- und herschwimmen. Nikolaus, immer noch von seiner Erkältung weggetreten nimmt alles nur halb wahr, während wir so durch die Straßen Richtung Meer zuckeln. Die kaputten Häuser weichen alten Industrieanlagen, aus denen es herzerweichend nach einer Mischung aus Gummi und alten Socken stinkt (Nachtrag: es war eindeutig Schwefel). Nachdem wir den alten Industriehafen passiert haben, wird die Bebauung etwas lichter und statt Industriebauten sehen wir nun kleinere Landhäuser, aber immer noch keinen wirklich schönen Strand. Das Meer grenzt praktisch direkt an die Straße, es gibt lediglich kleinere Steinstrände, die aber relativ stark zugemüllt sind und auch das Wasser ist mit schmutzig noch nett umschrieben.
Der Mann mit dem Pferdewagen fährt uns zu einer Casa, eine Art kleiner Hotelanlage mit Restaurant und allem möglichen anderen Kram, den wir nicht haben wollen und die uns vermutlich auch viel zu teuer geworden wären. Wir bitten ihn nach einer Alternative und die Fahrt geht weiter. Nur ein paar Minuten später halten wir vor einem kleinen, sturmerprobt aussehendem Haus, das einem Freund von ihm gehört. Dieser, ein ebenfalls etwas älterer Mann, kommt missmutig aus seinem Haus gestapft. Er bietet uns an, für 10 CUC in seinem Garten campen zu lassen. Wir überlegen kurz, eine andere vernünftige Gelegenheit gibt es wohl nicht, zumal es auch allmählich dunkel wird. Wir bieten ihm 5 CUC, er bleibt hart, da es schließlich illegal ist, Touristen ohne Lizenz bei sich aufzunehmen. Wir sagen wiederrum, dass man für 10 CUC schon ein ganzes Zimmer in der Stadt bekommen könnte, woraufhin er einknickt und einschlägt.
Wir bauen also unser Zelt auf und schauen uns in der Gegend um, ob man hier irgendwas Essbares auftreiben kann, während Nikolaus im Zelt zurückbleibt und weiter seinen leichten Fiebertraum ausschläft.
Ein kleiner Laden am Strand bietet zwar Bier und anderen Alkohol an, aber nur irgendeinen undefinierbaren Kram zum Essen, den wir nach unseren Erfahrungen lieber nicht anrühren. Wir laufen ein paar Häuser weiter und stehen bald wieder vor der Casa, die uns zuerst angeboten wurde. Da es offensichtlich kein anderes Restaurant hier außerhalb der Stadt gibt, nehmen wir die hohen Preise in Kauf und schlagen uns den Magen mit Reis und Bohnen voll, eins der wenigen Essen, die man meistens runterbekommt, nicht allzu teuer sind und auch allgemein nicht all zuviel falsch machen kann. Die Preise sind allerdings gesalzen.
Auf dem Rückweg werden wir noch von einigen unfreundlichen Straßenhunden angekläfft und sind froh, unser neues Heim im ganzen Stück zu erreichen. Nikolaus erwacht aus seinem Dämmerschlaf und hat keinen Hunger. Unser Gastgeber scheint aus dem Haus zu sein, alle Türen und Fenster sind zu oder vernagelt und wir verbringen unseren Abend mit auf der Terrasse rumliegen, lesen und uns fragen, was zur Hölle wir hier eigentlich machen.
Unser Zelt steht relativ nah zum Zaun, unsere Rucksäcke haben wir weiter hinten im Dunkel hingelegt. Kuba gilt als sehr sicheres Land, besonders bei Straftaten gegenüber Touristen greift die Polizei besonders hart durch. In den zwei Wochen in Kuba hatten wir nicht ein einziges Mal das Gefühl, gleich bedroht oder ausgeraubt zu werden, weshalb wir nicht mal ansatzweise darüber nachdenken, unsere Rucksäcke im Haus unseres Gastgebers zu deponieren. Wir zeigen zumindest ein bisschen Vernunft und nehmen alle wichtigen Sachen wir Pässe und Brieftasche mit ins Zelt. Auch Nikolaus macht sich wiederwillig auf um seinen Pass noch in Sicherheit zu bringen.
Spät am Abend kommt unser Gastgeber zurück. Während wir sein Badezimmer benutzen, sehen wir, wie er sich liebevoll sein Abendessen zubereitet. Es gibt Jamon mit Queso, zwei der kubanischen Lebensmittel, von denen es aus planwirtschaftlichen Gründen nur eine Sorte gibt und uns während unseres Aufenthalts bereits absolut zuwieder geworden sind. Er heckselt sich das alles mit ein bisschen Ei im Küchenmixer zurecht und brät sich den Schmarn in der Pfanne. Mahlzeit. Mit diesen schockierenden Bildern gehen wir ins Zelt, ich breite, da ich ja in Cienfuegos matratzenlos geworden bin, nur ein paar Pullover auf dem Zeltboden aus und lasse mich vom Geräusch der Wellen in den Schlaf rauschen.
Die Nacht verläuft zu meiner Überraschung relativ ereignislos, ich schlafe wie ein Stein in einer Tour durch, während Emilia und Nikolaus immer wieder aufwachen. Als Nikolaus sich im Garten kurz erleichtert, meint er etwas im Gebüsch rascheln zu hören, aber es war nur einer der Straßenhunde.
Der nächste Tag beginnt mit einem Paukenschlag: Emilias Rucksack liegt offen an der Stelle, wo wir ihn abgestellt haben und Schminke, Ohrringe und Jeansjacke sind weg. Ein noch zu verschmerzender Verlust im Vergleich zu Nikolaus, dem der ganze Rucksack fehlt. Meinen hat man nicht mal angerührt, obwohl er als einziger von unseren Rucksäcken einen Markennamen trägt. Wir alle drei schwärmen sofort aus und untersuchen die Umgebung. Vielleicht hat der Dieb ja nur nach Wertgegenständen gesucht und den Rucksack dann irgendwo gelassen. Aber wir finden nichts. Wir klopfen bei unserem Gastgeber, aber der ist wieder weg. Verdächtig? Irgendwie schon, zumal wir ihm gesagt haben, dass wir morgen gehen werden und wir ihn dementsprechend nicht bezahlen können, wenn er gar nicht da ist. Nikolaus schlägt vor, ihm einfach Geld unter der Tür durchzuschieben, doch mir gefällt die Vorstellung nicht, Geld durchzuschieben, wenn direkt neben der Tür vielleicht der Rucksack steht. Innerlich sehe ich mich schon die Tür eintreten, bis mir wieder einfällt, dass ich das gar nicht kann.
Letztendlich müssen wir alle leicht schmunzeln bei der Vorstellung, wie viel Glück im Unglück Nikolaus da gehabt und was für einen dummen Fang der Dieb gemacht hat. Letztendlich sind neben dem Rucksack, dem einzigen schmerzhaften Verlust, nur zwei Hosen, ein paar T-Shirts, Unterhosen und Socken abhanden gekommen. Alles Wertvolle, Pass, Kreditkarte, Handy und Sonstiges ist am Mann und Nikolaus stößt nochmal ein Gebet zum Himmel, dass er seinen Pass gestern noch aus dem Rucksack genommen hat. Nikolaus leiht sich eine Hose von mir, die ihm etwas zu weit ist und los gehts. Mit deutlich dezimiertem Gepäck machen wir uns  auf den Rückweg in die Stadt, die Nachbarin, die uns auf der Straße laufen sieht, bittet uns netterweise in ihr Haus und kommandiert ihren 12-jährigen Sohn, uns mit dem Pferdewagen in die Stadt zu fahren.
Nikolaus ist immer noch nicht ganz fit, hat dazu auch noch nichts gegessen. Inzwischen kann auch das kubanische Rührei nicht mehr gesehen werden, weshalb wir uns die Bäuche mit Bananen und anderem Obst füllen. Wir fragen uns durch, wie man irgendwo Richtung Playa Jibacoa kommt, ein kleiner Touristenort unweit von Havana. Wir hatten und diesen Ort gewissermaßen als Plan B rausgesucht und sind uns dort sicher, dass es einen Badestrand gibt. Man verweist uns auf den Bus, der hier ständig nach Varadero durchfährt und wir stellen uns an die große Hauptstraße und warten. Während wir vor uns hinstehen bemerke ich, dass wir alle ziemlich riechen und mir tun jetzt schon die Leute leid, die mit uns jetzt Bus fahren müssen. Ein relativ schicker Reisebus fährt vor, die Sitzplätze sind aber alle belegt und so quetschen wir uns mit unserem Rucksäcken in den Gang und stinken vor uns hin.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir Varadero, die vermutlich touristischte Stadt Kubas. Eine Hotelburg reiht sich an die andere, die Innenstadt besteht aus Souvenir- und anderen Blödsinnläden und auf den Straßen sieht man mehr Ausländer als Einheimische. Aus praktischen Gründen überlegen wir kurz, uns hier einfach eine Casa zu suchen, aber nach ein paar Salzcrackern in einer Mall mit schlechter Musik und komischen Leuten verwerfen wir diese Idee wieder. Wir suchen die Busstation auf und fragen nach einer Busverbindung Richtung Jibacoa. Gibt es nicht. Wir müssen also, falls wir nicht hier bleiben wollen, wieder ein Taxi nehmen und handeln einen der Fahrer auf einen relativ guten Preis runter. Stinkend und nass setzen wir uns in den schicken neuen Hyundai und fahren los.

Paul

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