Montag, 16. Februar 2015

20. Etappe - Santa Clara

Nach ruckeligen zwei Stunden erreichen wir St.Clara. Die Stadt ist vorwiegend für ihr Che Guevara Denkmal berühmt, das wir später noch besichtigen werden. Aus alter Gewohnheit nehmen wir wieder eins der Pferdekutschentaxis und lügen diesmal bei der Frage nach der Casa, um nicht wieder eine peinliche Stille auszulösen.
Besagtes Hotel
Der Fahrer lässt uns beim groß angelegten Rathausplatz raus. Diesen haben wir schon auf Fotos in unserem Reiseführer gesehen. Unsere Blicke wandern zu einem Neubau aus den 50ern, ein großes Hotel, dass mit seinem Baustil so gar nicht zu den anderen klassischen Gebäuden passen will. Das Hotel ist in gewisser Weise berühmt. Vor der Revolution war es ein Hilton Hotel und eine präferierte Absteige für reiche, schnöselige Amerikaner. Nach der Eroberung St. Claras durch die Guerillas wurde das Hotel gestürmt und hat seitdem bis heute einen leichten Symbolcharackter. Unser Reiseführer schrieb dazu, dass das Hotel in seiner modernen Bauform den Stil des Platzes erweitert und somit eine neue Architekturepoche eingeläutet hat. Wir können diese Meinung nicht sonderlich teilen, da wir das Haus einfach nur potthässlich finden.
Ein Bild des Grauens
Auf dem Platz spricht uns ein junger Typ und will uns die "Casa seiner Mutter" zeigen. Da der angebotene Preis wirklich gut ist, folgen wir ihm die paar Straßenblöcke und sagen seiner Mutter Hallo, auch wenn wir uns nach intensiver Betrachtung der Casa-Besitzerin sicher sind, dass es sich nicht um die Mutter handelt. Das Zimmer ist aber wirklich in Ordnung, es ist zwar klein, aber günstig und es gibt sogar ein kleines Frühstück dazu.
Wir verlassen unsere vier Wände und machen uns erneut auf die Suche nach etwas Essbarem, ich werde schon fast wahnsinnig nach beinahe drei Tagen ohne wirkliche Nahrung. Nikolaus und Emilia hauen sich zum x-ten Mal den Magen mit Rührei voll, während ich mich wieder an der kubanischen Straßenpizza versuche. Doch schon nach einem Bissen geht nichts mehr und ich verstehe nicht, wie ich das Essen die ersten Tage in Kuba runterkriegen konnte bzw. sogar einigermaßen lecker fand. Der Käse schmeckt nach Stall und Schimmel, der Teig ist dick und fad. So kommt es dazu, dass am helllichten Tag und strahlendem Sonnenschein eine unglückliche Pizza durch die Straßen von St. Clara segelt und mit einem widerlichen Geräusch auf dem Bürgersteig zerklatscht, wo sich ein Straßenhund schon erfreut über sie hermacht. Emilia hat gute Mühe, mich wieder zu beruhigen, sie fand mich, nach eigener Aussage wirklich bedrohlich. Auf dem weiteren Weg schimpfe ich lauthals über das "verkackte Nahrungssystem" des Landes und brülle noch ein paar vorbeifahrende wild hupende Autos an, ein Verhalten, dass in Kuba völlig normal ist. Viele lassen sich extra größere und lautere Hupen in ihr Auto einbauen, um besonders cool zu sein. Ein Kubaner, der nicht hupt, gilt vermutlich als schwul.

Wir kaufen uns ein paar Barras, gepresste Nuss-Riegel, die den Hunger etwas stillen und lassen uns auf einer Parkbank am Rathausplatz nieder. Ein älterer Mann spricht uns überraschend auf Deutsch an. Er erzählt uns von seiner Zeit in den 80ern, wo er als Gastarbeiter in Leipzig gelebt habt. Er sagt in erstaunlich gutem Deutsch, dass er diese Zeit nie missen will, "außer den Winter, der war scheiße", wie er uns lachend zu verstehen gibt. Zum Abschied fragt er uns noch freundlich, ob wir nicht einen Kugelschreiber oder etwas ähnliches für ihn hätten, die wären hier schwer zu kriegen. Haben wir leider nicht.
Was ich an diesem Tag auch immer gegessen hab, es hat irgendwie gereicht, um mich satt und wieder halbwegs erträglich für meine Umwelt zu machen. Gefüllt gehen wir in einen der staatlichen Telepuntos, große Internetcafés, die immer noch teuer sind, aber dafür auch eine etwas schnellere Verbindung haben als so manch anderer Computer. Nach langem Überlegen buchen wir endlich unsere Tickets nach Bogota, Kolumbien für 280€ pro Person. Die günstigen Angebote, die wir in Tulum noch gefunden haben, scheinen nicht wieder zu kommen, weshalb wir nun in den sauren Apfel beißen. Unser Flug geht am 1. Weihnachtsfeiertag um eine indiskutabel frühe Uhrzeit von Havana ab, wir haben also immer noch über eine Woche, die wir in Kuba verbringen werden. So sehr ich mich auch auf das Land gefreut habe, kann ich nicht leugnen, ein bisschen dem Abflugdatum entgegen zu sehnen. Nach zwei Wochen in Kuba fühle ich mich immer noch nicht wirklich wohl.
Che Guevara Memorial
Während Nikolaus sich am Abend ins kubanische Nachtleben stürzt und eine der berühmten kubanischen Nächte erlebt bleiben Emilia und Ich langweilig in der Casa. Nikolaus kommt spät auf wackeligen Beinen zurück und erkältet sich in der darauffolgenden Nacht an der Klimaanlage, die unser Zimmer auf aktzeptable Temperaturen hinunterkühlt und ihn die nächsten Tage noch beschäftigen wird.
Das hindert uns allerdings nicht daran, am nächsten Morgen das Che-Guevara Denkmal zu besichtigen, eine flache, breite Gedenkstätte mit einer riesigen Statue von Che mit dickem Kalaschnikow in der Hand, gesäumt von zwei großen Gedenktafel. Die eine zeigt eines der wichtigsten Schriften Ches, die andere die Rede Fidel Castros zur Einweihung. Ebenfalls Teil der Gedenkstätte ist ein kleines Museum, das offensichtlich jeden Gegenstand ausstellt, den Che einmal besessen oder angefasst hat. Für einen Fan muss es wohl wie eine kleine Offenbarung sein, das originale Fernglas zu sehen, das Che während einer Studentenreise in den 50ern besessen hat. Als krönender patriotischer Abschluss dürfen wir noch die Urnen bestaunen, die Ches Asche und viele anderen heldenhaft gefallenden Guerillas beherbergen. Das ganze ist angenehmerweise umsonst, die Gehirnwäsche war also wenigstens kostenlos.
Auf dem Rückweg kaufen wir noch Essen für den Abend ein, die Casa-Lady hat uns freundlicherweise erlaubt, ihre Küche zu benutzen. Wir kaufen etwas, was aussieht wie Kartoffeln und etwas Gemüse und basteln daraus so etwas wie eine Kartoffelsuppe, die aus Kartoffeln besteht, die keine sind. Da die Casa mehrere Zimmer hat, gesellt sich nach einer Weile ein etwas älterer Stuttgarter zu uns. Er sei Percussonist, war schon über 30 Mal in Südamerika und kennt Kuba wie seine Westentasche. Leider führt das Gespräch nach einer Weile in Richtung Neo-Stasi, die überall alles ausspioniert sowie wildem Zitieren des Kopp-Verlages, weshalb wir irgendwann die unangenehme Situation fluchtartig verlassen. Nikolaus fühlt sich nicht wohl und Emilia und ich verbringen eine ziemlich unterhaltsame und bunte Nacht in St. Clara. Überall gibt es Live-Musik, und zwar die Art von Salsa Musik, die man als Europäer aus dem Buena Vista Social Club kennt. Da Cocktails teilweise billiger sind als Bier, geht der ein oder andere Cuba Libre über den Tisch, der hier einfach nichts kostet und die Nacht wird dementsprechend lang bzw. fühlt sich wesentlich länger an. In einer Bar lernen wir noch ein paar Deutsche kennen, einer erzählt uns von seiner Arbeit in der Deutschen Botschaft in Kabul und bringt uns alle zum Lachen mit seinen Erfahrungen mit bescheuerten Travellern, die ohne jegliche Vorbereitung an die pakistanisch-afghanische G
renze gehen und somit für ihn zu einem großen Haufen Arbeit werden. Zum krönenden Abschluss des Abends landen wir noch auf einer Schwulen Party, wo ironischerweise nicht mir, sondern Emilia von einem Transvestit an den Hintern gegrabscht wird.
Am nächsten Morgen weckt mich ein monotones Geräusch, das so klingt wie, als würde eine Faust gegen ein Stück Holz geschlagen werden. Nach einer Weile wird unsere Zimmertür geöffnet und ich brauche einige Zeit, um zu verstehen, dass das Stück Holz vermutlich eben diese Tür gewesen sein muss. Plötzlich steht die Casa Lady im Zimmer und ist wegen irgendetwas sehr aufgebracht. Sie erwartet Gäste um zwölf und sieht sich deshalb gezwungen, uns über eine Stunde vorher schon ordentlich Dampf unterm Hintern zu machen. Eigentlich würde ich ganz gerne duschen, aber die Zeit bleibt wohl nicht mehr. Die Dame war davor eigentlich immer sehr nett zu uns, aber jetzt, wo sie das Gefühl hat, durch uns einen eventuellen finanziellen Verlust beklagen zu müssen, ist alle Freundlichkeit verflogen. Mit bösem Kater schmeiße ich mit den anderen unsere jeweiligen Sachen in ihre jeweiligen Rucksäcke und verlassen die Unterkunft. Die Dame ist offensichtlich böse mit uns und verwährt uns das Frühstück. Nach ein paar frischen Orangen und einem kubanischen Espresso kehren aber die Lebensgeister zurück und wir machen uns, diesmal mit einem Motoradtaxi auf Richtung Busbahnhof. Uns wurde immer wieder gesagt, dass die Nordküste Kubas die mit Abstand schönsten Strände zu bieten hat, also haben wir uns ohne jegliche Vorkenntnisse und Erfahrungen für eine kleinere Stadt an der Küste entschieden, unweit der Stadt Barradero, die wider rum für ihren extremen Tourismus bekannt ist. Extrem im Sinne von Teuer und voller unangenehmer Leute.
Scheinbar ist unser Zielort aber nicht sonderlich bekannt, weder Camionetas noch Busse fahren freiwillig dorthin. Wir beißen also mal wieder in den sauren Apfel und nehmen für viel Geld ein Taxi, das sich bereit erklärt, die zweieinhalb Stunden Fahrt in Kauf zu nehmen. Das Gepäck passt nicht mal halbwegs in den Kofferraum und findet dementsprechend neben uns auf der Rückbank Platz und ab geht die Fahrt.

Paul

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