Dienstag, 10. Februar 2015

18. Etappe - Irgendwo in den Bergen

Unsere Casa
Das Schild am Ortsausgang zeigt 19 Kilometer bis nach Topes. Überraschend lange dauert die Fahrt, was aber auch an der altersschwäche des kleinen Autos liegt. Meine Eltern als alte Ossis würden sich vielleicht in einem kleinen Anfall von selten auftretender Ostalgie freuen, mal wieder in einem alten Moskwitsch zu sitzen. Jener Anfall wäre aber wohl bald wieder verflogen, denn das Auto ist nicht im besten Zustand, erst recht nicht für die teilweise extrem steile Strecke. Der Motor heult mehrmals besorgniserregend auf, der Fahrer macht uns mit einer trinkenden Geste darauf aufmerksam, dass der "alte Russe" ganz schön viel Sprit verbraucht. Auf halbem Weg macht er kurz Halt bei einem kleinen Haus mit Brunnen und kühlt mit Wasser seinen geschundenen Motor.
Aussicht auf das Meer
Die berühmt berüchtigte Frage nach einer Unterkunft kommt selbstredend, worüber wir diesmal sehr froh sind, da wir keine Ahnung haben, was uns in Topes erwartet. Nach einem weiteren kurzen Streckenabschnitt hält er bei einem Berghaus mitten im Nirgendwo. Landschaft und auch das Haus sind traumhaft schön, aber die 20 CUC pro Person (mit kleinem Frühstück) halten uns auf und wir beratschlagen, ob wir nicht noch etwas Günstigeres finden. Wir bitten den Fahrer uns weiter bis nach Topes zu fahren.
Angekommen fragen wir in einer Touristeninformation nach. Keine Casas in Topes, nur Hotels und ein dickes, verflucht teures Wellness Ressort. Also wieder zurück zur anderen Casa. Wir schultern unsere Rucksäcke und stapfen die Straße hinunter, von der wir gerade gekommen sind. Der Marsch dauert weit über eine Stunde, während über uns langsam die Sonne untergeht und Wolken und Berge in ein rot-orangenes Licht taucht.
Wurde mehr oder weniger zu unserer Dusche
Die Casa Besitzer können sich ein kleines Lachen nicht verkneifen, als wir erschöpft und schwitzend wieder vor ihrer Tür stehen. Hatten sie uns nicht sogar gewarnt, dass es in Topes keine Casas gibt? Wir hatten dies als alten Verhandlungstrick ausgelegt, nach unseren letzten Erfahrungen wissen wir, dass man hier gerne mal Fünf gerade sein lässt, um mit Touristen Geld zu machen. Egal, wir handeln nun um alles. 20 CUC mit kleinem Frühstück und nochmal 5 CUC pro Person für jeweils ein Abendessen. Leider ist es inzwischen völlig dunkel und das ganze Gelände ist nicht mehr zu erkennen. Es gibt frisches Trinkwasser, da dieses direkt aus den Bergen kommt und es gibt sogar einen Pool, der natürlich arschkalt ist. Nach der anstrengenden Wanderung ist uns das aber egal, wir stürzen uns für einige Sekunden ins kühle Nass und sind danach nicht nur sauber, sondern auch erfrischt. Das Essen ist extrem lecker, die Hausfrau war früher Köchin in einem der großen Touristenrestaurants.
Und, man sehe und staune, es gibt sogar einen anderen Gast. Ein älterer Franko-Kanadier gesellt sich zu uns. Er ist gestern mit seinem Fahrad und 30 Kilo Gepäck die ganze Strecke von Trinidad hierher gefahren. Uns fällt die Kinnlade runter, als er uns dazu noch erzählt, dass er 62 ist. Seit einigen Zeit fährt er jährlich für ein paar Wochen nach Kuba, radelt durch die Gegend und macht sich neue Freunde. Vor ein paar Jahren, als er gerade zum ersten Mal Topes und die umliegenden Berge erkundet hat, lernte er den jetzigen Besitzer dieser Casa kennen. Dieser wollte eine komplett ökologische und nachhaltig wirtschaftende Farm mit Wohnhaus für seine Familie bauen. Der Kanadier fand das Projekt toll und hat ihm damals den Startkredit bewilligt. Nun ist das Projekt fertig. Haus, Garten, Einrichtung, technische Konstruktionen sind alle komplett selber gebaut und vor allem sehr gut. Begeistert erzählt er uns von seinem Leben in Canada, von seinem Auto, was er komplett umgebaut hat und ab und zu, wenn er zu seinem Sohn ins kalte und abgeschiedene British Columbia hinaus fährt, nutzt, um darin zu leben. Ein beeindruckender Mann, der trotz seines Alters viel fitter und vitaler ist als wir alle drei zusammen. Wir erzählen ihm von unseren Erfahrungen, die wir bis jetzt in Kuba gemacht haben, besonders von der ziemlich dreisten Rechnung in Trinidad. Er nickt verständnisvoll und rät uns dringend, bei allem, was wir machen und kaufen nach dem Preis zu fragen. Er sagt, die meisten Kubaner denken, dass man es als Ausländer einfach hat und es einem nicht wehtut, 15 CUC für eine Wäsche zu bezahlen.
Trotz der frischen Temperaturen beschließt Nikolaus, draußen in der (vermutlich selbstgebauten) Hängematte zu schlafen und wickelt sich in seinen Schlafsack ein. Emilia und ich schlafen in unserem kleinen Zimmer, das leider nicht viel wärmer ist.
Wir wachen früh am nächsten Morgen auf und im Tageslicht sehen wir erst richtig, in was für einem Paradies wir hier gelandet sind. Die Farm ist wunderschön, es gibt eine kleine Schweinezucht, ein Anbaugebiet für Gemüse und verschiedene Gewürze. Dazu, selbstverständlich einen netten Hofhund und eine faule Hofkatze. Das Frühstück ist klein, aber reichhaltig. Nach mehreren Tagen Stadtleben freuen wir uns, wieder in einem sehr abgeschiedenen Fleckchen Erde zu sein, ohne Hektik, ohne Lärm, nur Natur und angenehme Menschen. Nach dem Frühstück klettern wir auf einen der angrenzenden Berge und genießen das sich uns bietende Panorama. Sowohl Trinidad als auch das Meer sind in Sichtweite.
Da wir den Tag, den wir nun hier sind, zum Wandern nutzen wollen, schauen wir uns die Karte, die wir uns in der Touristeninformation besorgt haben genauer an. Es gibt eine Vielzahl von Wanderwegen und Attraktionen, der Großteil des Gebirges ist ein Nationalpark. Es gibt Wasserfälle, Schluchten, Höhlen zu erforschen. Wir entscheiden uns für eine moderate Wanderstrecke zu einem der Wasserfälle, der sich, laut Angaben mehrere hundert Meter in die tiefe Stürzen soll. Das Wetter ist perfekt, es ist leicht bewölkt und die Sonne knallt nicht so stark.
Wir machen uns wieder auf nach Topes, um noch etwas zu Mittag zu essen, bevor wir uns auf die Wanderung machen. Die Bilder, die sich uns bieten könnten nicht unterschiedlicher sein. Wir laufen sowohl an kleinen, leicht verfallenen Landhäuser mit angrenzenden Feldern als auch an großen Plattenbauten vorbei, die in ihrer Hässlichkeit Honecker vor Neid erblassen lassen würde.
Cascada
Nach einigen Nachfragen finden wir den Pfad Richtung der Wasserfälle. Wir laufen über Feldwege, steile Felsformationen und rutschige Flusssteine. Nach einiger Zeit kommen wir zur Grenze des Nationalparks, wo zwei Mitarbeiter vor sich hin warten. Der Eintritt ist mit 10 CUC pro Person ganz schön happig, dafür kriegen wir aber eine geführte Tour von einem der Ranger. Er führt uns durch einen kleinen Waldabschnitt, der ohne Warnung in einen sehr steilen Trampelpfad übergeht. Wir klettern den steilen Abhang im Zick Zack hinunter Richtung Tal, von wo wir bereits den Wasserfall und seine gewaltige Geräuschkulisse hören können.
Das Wort, das den Wasserfall vermutlich am besten beschreibt wäre "riesig". Im Vergleich erscheint unser erster Wasserfall in Palenque winzig und unbedeutend. Das Wasser klatscht aus beeindruckender Höhe in den kleinen See, der mit kristallklaren, aber auch sehr kalten Wasser gefüllt ist. Nikolaus und ich springen von einem kleinen Felsen hinein, der Ranger klatscht anerkennend Beifall. Der Kälteschock treibt uns aber im Fünf Minuten Takt wieder aus dem Wasser hinaus. Das Wasser ist so klar, dass man problemlos bis auf den Boden schauen kann. Nach einigen Minuten Badespaß wird uns urplötzlich sehr warm, ein Zeichen, wohl besser wieder an Land zu gehen.
Der Rückweg wird sehr anstrengend. Der Abstieg in die Schlucht war wesentlich weniger einfacher als der nun folgende Kraftaufwand. Da der Ranger diese Strecke, wir er uns erzählt, seit 17 Jahren teilweise 10 mal täglich läuft, ist er schnell verschwunden und wir hecheln qualvoll hinterher.
Altes Landhaus
Nach mehreren mühsamen, aber spaßigen Stunden des Wanderns stehen wir wieder in unserer Casa, erneut verschwitzt und müde. Wieder kühlen wir uns in dem kleinen Bergwasserbecken ab und gehen davon aus, diese Nacht sehr gut schlafen zu können. Das Essen ist wieder hevorragend, auch wenn ich mir erneut mit irgendwas den Magen verderbe. Die Nacht wird für mich somit sehr unangenehm, da ich etwa jede Stunde auf die Toilette renne.
Der Morgen graut und ich habe nicht sehr viel geschlafen. Vom Frühstück taste ich nichts an, Emilia und Nikolaus freuen sich über das überschüssige Spiegelei. Die Casa Besitzer haben uns dafür einen Tipp gegeben, wie man günstig und orginal kubanisch zur nächsten Stadt kommt. Trampen raten sie uns ab, da man als Tourist sehr selten mitgenommen wird.
Wir nehmen erneut ein Taxi, diesmal einen modernen und kräftigen Hyundai, eines der seltenen modernen Autos, die vermutlich extrem teuer sind. Der Taxifahrer hat in seinem Radio einen USB Stick stecken, der zwei Ordner enthällt: English Music und Spanish Music. Wir als Touristen werden natürlich mit der englischen Musik verwöhnt und für eine Weile schallt uns One Direction um die Ohren. Wir bitten ihn nach ein paar Songs, die Musik aufzulegen, die er gerne hören will. Er muss lachen. Prompt gibt es wieder die altbekannten Salsa Hits, die wir auch inzwischen mitsingen können.
Am Zielort angekommen, eine Art improvisierter Busbahnhof werden wir wieder von einer Meute Taxifahrer bestürmt, die uns in unseren Zielort fahren wollen. Wir haben uns für die Stadt Sancti Spiritus entschieden, den Fotos in unserem Reiseführer zufolge soll diese wohl ganz hübsch sein.
Wir weisen alle Taxifahrer ab und warten auf den Bus.
Als dieser ankommt wissen wir auch, warum er nur 20 MN kostet. Der Bus ist ein umfunktionierter LKW. Auf der Tragefläche ist ein großer Stahlkäfig montiert, der dem Monstrum von außen wie ein Viehtransporter aussehen lässt. Von Innen fühlt sich der Koloss auch nicht viel besser an. Aber 20 Pesos sind halt 20 Pesos.
Der LKW brummt vor sich hin und fährt ächzend an. Es schaukelt, es ist ungemütlich und mein Magen rumort.
Auf nach Sancti Spiritus.

Paul






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